Beteiligung im Freistaat Sachsen
Bürgerbeteiligung auf Landesebene ist sowohl im Rahmen der repräsentativen als auch der direkten Demokratie möglich. Aufgrund der föderalistischen Struktur Deutschlands und der damit einhergehenden Eigenständigkeit der 16 Bundesländer können sich die Möglichkeiten und Bedingungen direktdemokratischer Verfahren von Bundesland zu Bundesland unterscheiden.
Repräsentative Demokratie auf Landesebene
Repräsentative Demokratie in Sachsen bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Abgeordnete und damit Vertreter (Repräsentanten) wählen, die in einem Parlament wie dem Sächsischen Landtag Gesetze beschließen, den Landeshaushalt festlegen und die Arbeit der Landes-Regierung kontrollieren.
Weil nicht alle vier Millionen Sachsen alle politischen Fragen miteinander diskutieren können, werden die Bürger im Landtag durch Abgeordnete vertreten (repräsentiert). Diese Form der Arbeitsteilung ist schon aus zeitlichen und organisatorischen Gründen eine praktische Notwendigkeit. Das Parlament ist die Vertretung des Volkes.
Erst- und Zweitstimme
Bei den Wahlen zum Sächsischen Landtag haben die Wähler zwei Stimmen. Mit der ersten Stimme werden die Direktkandidaten für den jeweiligen Wahlkreis, mit der zweiten Stimme die Kandidatenlisten von Parteien oder Wählervereinigungen gewählt. Unterm Strich wählt man mit der Zweitstimme eine Partei und beeinflusst so die Anzahl der Sitze einer Partei im Parlament, während mit der Erststimme einzelne Kandidaten gewählt werden.
Fünf-Prozent-Hürde
Für den Landtag als auch für den Bundestag gilt die Fünf-Prozent-Hürde, nach der eine Partei landesweit mindestens fünf Prozent der gültigen abgegebenen Stimmen auf sich vereinen muss, damit deren Vertreter in das Parlament einziehen können.
Legislaturperiode
Die Legislaturperiode ist der Zeitraum, für welchen ein Parlament gewählt wird. Der Sächsische Landtag wird für eine Wahlperiode von fünf Jahren gewählt.
Fraktionen
In der Regel besteht ein Landtag aus mehreren Fraktionen. Als Fraktion wird ein Zusammenschluss von Abgeordneten in einem Parlament oder anderen politischen Gremien (zum Beispiel einem Gemeinderat) bezeichnet, der auf freiwilliger Basis geschieht. Überwiegend gehören die Mitglieder einer Fraktion derselben Partei an. Sinn und Zweck ist es, politische Interessen und Ziele gemeinsam durchzusetzen.
Wahl
Im Sächsischen Landtag sitzen mindestens 120 Abgeordnete. Die eine Hälfte wird in den 60 Wahlkreisen direkt gewählt (Erststimme), die andere Hälfte gelangt über die Zweitstimme, also über die Wahl der Listen ins Parlament. Bei der Wahl der Wahlkreisabgeordneten ist ausschlaggebend, welcher Kandidat die meisten Stimmen (»einfache Mehrheit«) auf sich vereint.
Fraktionsdisziplin
Die Abgeordneten sind laut Grundgesetz, Artikel 38, »Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen«. In der Praxis jedoch formulieren die Parlamentsfraktionen meist eine Fraktionsdisziplin, die überspitzt auch als »Fraktionszwang« bezeichnet wird. Das bedeutet, dass innerhalb von Fraktionen bereits vor einer Abstimmung im Parlament intern in den Fraktionen diskutiert und abgestimmt wird und dieses Ergebnis dann als bindend gilt. Ein echter Zwang, dass sich die einzelnen Abgeordneten daran zu halten haben, existiert jedoch nicht und wäre verfassungswidrig.
Der Bundestag und die Länderparlamente sind die Stellen, bei denen jeder Bürger eine Petition einreichen kann. Diese Bitten und Beschwerden können sehr persönlicher Natur sein als auch allgemeine politische Fragen betreffen. Sie können von Einzelpersonen aber auch in gemeinschaftlicher Form zum Beispiel von Initiativen oder Verbänden eingereicht werden.
- Website Deutscher Bundestag Weiterführende Informationen zu Petitionen und deren Bearbeitung beim Bund
- Website Sächsischer Landtag Weiterführende Informationen zu Petitionen und deren Bearbeitung in Sachsen
Direkte Demokratie auf Landesebene
Neben der Gesetzgebung durch das Parlament gibt es auf Landesebene auch das direktdemokratische Verfahren der Volksgesetzgebung. Die nachfolgenden Erläuterungen beziehen sich dabei nur auf das im Freistaat Sachsen vorgesehene Verfahren und die hier geltenden Bedingungen.
Die Möglichkeit der Volksgesetzgebung ist in der Verfassung des Freistaates Sachsen geregelt. Dort ist geregelt, dass Gesetzesvorlagen auch »vom Volk durch Volksantrag« initiiert werden und Gesetze entweder vom Landtag oder »unmittelbar vom Volk durch Volksentscheid« beschlossen werden können.
Volksantrag
Die direktdemokratische Mitwirkung auf Landesebene ist stufenweise aufgebaut, wobei der Prozess mit dem Volksantrag beginnt. Um einen solchen Volksantrag in Gang zu setzen, bedarf es der Unterschriften von mindestens 40.000 Stimmberechtigten. Dem Volksantrag muss »ein mit Begründung versehener Gesetzentwurf zugrunde liegen« (Verfassung des Freistaates Sachsen, Artikel 71).
Der Volksantrag wird beim Landtagspräsidenten eingereicht, der eine Stellungnahme der Staatsregierung einholt und über die Zulässigkeit des Antrags entscheidet. Hält der Landtagspräsident den Volksantrag für verfassungswidrig, entscheidet der Sächsische Verfassungsgerichtshof.
Ist ein Volksantrag zulässig, veröffentlicht ihn der Landtagspräsident einschließlich einer Begründung. Darüber hinaus gibt der Landtag den Antragstellern Gelegenheit zur Anhörung.
Volksbegehren
Wenn der Landtag dem Volksantrag nicht innerhalb von sechs Monaten zustimmt, können die Antragsteller ein Volksbegehren in Gang setzen. Ziel eines Volksbegehrens ist es, einen Volksentscheid über den Volksantrag herbeizuführen.
Volksentscheid
Um einen Volksentscheid durchführen zu können, müssen mindestens 450.000 oder aber mindestens 15 Prozent der Stimmberechtigten das Volksbegehren durch ihre Unterschrift unterstützen. Die 15-Prozent-Klausel sichert ab, dass bei einem erheblichen Rückgang der Zahl an Stimmberechtigten auch die Hürde für ein Volksbegehren entsprechend niedriger würde. Derzeit sind aber mindestens 450.000 Unterstützungsunterschriften erforderlich.
An einem Volksentscheid können alle stimmberechtigten Bürger Sachsens teilnehmen. Dabei wird mit Ja oder Nein gestimmt. Entscheidend ist die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen.
Für die Unterstützung müssen mindestens sechs Monate zur Verfügung stehen. Der Landtag kann zum Volksentscheid einen eigenen Gesetzentwurf beifügen.
Dauer
Zwischen einem erfolgreichen Volksbegehren und dem Volksentscheid muss ein Zeitraum von mindestens drei und höchstens sechs Monaten liegen. Dieser soll der öffentlichen Information und Diskussion des Themas dienen.
Gesetzliche Regelung
Die detaillierten Anforderungen und Abläufe diese Verfahrens sind nicht in der Verfassung des Freistaates Sachsen geregelt, sondern im Sächsischen Gesetz über Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid und in der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zur Durchführung dieses Gesetzes. Letztere enthält auch Formblätter zu einzelnen Schritten des Volksgesetzgebungsverfahrens.
Formelle Anhörungs- und Beteiligungsverfahren
Formelle Anhörungs- und Beteiligungsverfahren sind Bürgerbeteiligungen, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Diese Vorschriften gibt bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen. Auf Landesebene ist das bei der Erstellung des Landesentwicklungsplans der Fall.
Bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen ist gemäß § 10 des Raumordnungsgesetzes in Verbindung mit § 6 des Sächsischen Landesplanungsgesetzes die Öffentlichkeit zu unterrichten und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Neben der Auslegung in öffentlichen Behörden ist der Entwurf ins Internet einzustellen. Für die Öffentlichkeitsbeteiligung zum Entwurf des Landesentwicklungsplanes 2013 hatte das Innenministerium erstmals eine Onlinebeteiligung durchgeführt. Dabei flossen eine Vielzahl von Einwendungen auch von privater Seite in die Abwägung ein.
Informelle Beteiligungsverfahren zur Beratung und zum Meinungsaustausch
Informelle Beteiligungsverfahren setzen auf Diskussion oder auf Vorschläge zu mehr oder weniger konkreten Themen oder Projekten. Es handelt sich dabei nicht um Verfahren, mit denen Bürger über Themen oder Vorhaben entscheiden. Dies ist grundsätzlich den gewählten Parlamenten bzw. Gemeindevertretungen vorbehalten, mit Ausnahme direktdemokratischer Verfahren, wie den Bürger- oder Volksentscheiden auf Kommunal- bzw. Landesebene.
Sinn und Zweck der informellen Beteiligungserfahren ist es, dass Politiker oder Verwaltungen in einem Land oder einer Gemeinde ein Meinungsbild oder konkrete Vorschläge zu einem Thema oder einem Vorhaben erhalten.
Der Bürgerdialog ist ein Format für größere Gruppen (20 - 100 Personen). Dabei diskutieren die Teilnehmer in mehreren aufeinanderfolgenden Gesprächsrunden und stimmen abschließend über die erarbeiteten Positionen ab. Das Ergebnis der Diskussion und der gemeinsamen Arbeit wird der Politik, aber auch der Öffentlichkeit bekannt gemacht und mit ihr diskutiert.
Bürgerkompass Sachsen und Dialogforen der Sächsischen Landesregierung
So hat die sächsische Staatsregierung im November 2012 den BürgerKompass Sachsen durchgeführt. Dabei haben rund 170 zufällig ausgewählte Bürger aus Sachsen in bestimmten Themenfeldern anhand selbst erarbeiteter Beurteilungsmaßstäbe die Politik der Landesregierung beurteilt und Vorschläge formuliert. Die Themen wurden von einer aus den Teilnehmern bestehenden Vorbereitungsgruppe identifiziert und zunächst in kleineren Tischrunden diskutiert. Anschließend wurde über die von den Tischgruppen erarbeiteten Ergebnisse jeweils von allen Teilnehmern auf elektronischem Wege abgestimmt. Bei einer dritten Veranstaltung bekamen die Tischgastgeber Rückmeldungen seitens der Politik (Ministerpräsident, Minister) und konnten mit den politisch Verantwortlichen die Themen bzw. Vorschläge des Bürgerkompass diskutieren.
In ähnlicher Weise verliefen die im Jahr 2015 initiierten Dialogforen der Sächsischen Landesregierung.
Auswahl
Beim Bürgerrat werden mit zufällig ausgewählten 12 bis 18 Bürgern einer Gemeinde, einer Region oder eines Landes Lösungen für konkrete Herausforderungen ausgearbeitet. Er ist, wie auch die übrigen informellen Verfahren, ein Instrument der Beratung und der Zusammenarbeit von Bürgern, Politik und Verwaltung. Durch die Teilnahme am Bürgerrat beschäftigen sich Menschen eigenverantwortlich mit den Problemen ihrer Lebenswelt und suchen selbst nach möglichen Lösungen.
Themen
Bürgerräte können, je nach Zielsetzung oder Thema, in verschiedenen Formen und mit verschiedenen Teilnehmergruppen durchgeführt werden. Zu einem Bürgerrat kann themenbezogen (konkretes Projektvorhaben, bestimmtes Politikfeld) oder offen eingeladen werden. Das gemeinsam entwickelte Statement wird anschließend öffentlich präsentiert und mit Politik, Verwaltung und Bürgern diskutiert. Danach löst sich der Bürgerrat wieder auf und ist damit auch keine Konkurrenz zum bestehenden politischen System, sondern eine sinnvolle Ergänzung.
Zusammensetzung
Ein Bürgerrat wird meist aus einer repräsentativen Zufallsauswahl an Bürgern zusammengesetzt, so dass »ganz normale« Personen im Rat vertreten sind und nicht Vertreter von Interessensgruppen. Ebenso wird durch die Zufallsauswahl erreicht, dass unterschiedliche Interessen und Ansichten an einem Tisch Platz finden.
Quelle: Büro für Zukunftsfragen, Amt der Vorarlberger Landesregierung